Ich sitze hinterm Steuer, die Sonne knallt mir ins Gesicht, doch ich kann schon den Mittagskogel erkennen, wenn ich die Augen etwas zukneife. Schwer war es nicht den markanten Contesthang des Pitztal Wild Face zu erkennen, denn schon einige Kilometer vorher lacht einen der schier endlose Berg an.

Beim ersten Anblick war klar, das würde ein verdammt anstrengendes Rennen werden. Aber alles der Reihe nach, denn für Philipp Müller und mich war es das erste Mal beim Pitztal Wild Face Freeride Extreme und da galt es sich vorerst voll und ganz auf die Quali zu konzentrieren. Schließlich kannten wir den Hang nicht und wussten nicht was auf uns zukommt. Philipp startete dieses Jahr beim Open Faces in der Axamer Lizum und verpasste nur knapp die Quali für den FWQ-Event am nächsten Tag. Für mich war es sowieso der erste Freeridecontest, wie waren also beide gespannt, was uns im Pitztal erwarten würde.

Bei der Akkreditierung wurde mir Starnummer 80 zugelost. Zuerst klang das nicht besonders toll, zumal der Qualihang schon nach der Besichtigung extrem bucklig war und einige Steine bereits herausschauten. Als ich erfuhr, dass meine Nummer eine der ersten aus der Kategorie „Ski Men“ bedeutete, war die Welt wieder in Ordnung.

Am Start war für mich klar, ich würde voll attackieren. Manche würden vielleicht taktieren, doch ich konnte nicht einschätzen wie viel ich geben musste, um mich für’s Finale zu qualifizieren – also volle Kraft voraus. Im oberen Teil des Runs gelang mir das auch wunderbar, eine Straight-Line jagte die nächste und so schnell konnte ich gar nicht schauen, da befand ich mich in dem hässlichen unteren Teil des Runs. Die Oberschenkel glühten und die Lunge hing mir beinahe auf dem Boden. Trotzdem kämpfte ich weiter und biss die Zähne zusammen. Kurz vor Schluss in der letzten Kurve probierte ich eine Line durch die Bäume um den großen Buckeln auszuweichen, doch auf halbem Wege zog es mir prombt beide Ski aus. Wütend auf mich selbst und diesen blöden Fehler schnappte ich meine Ski, drückte mit aller Gewalt den auf 15 zugeknallten Hinterbacken herunter, stieg wieder in die Ski und kämpfte mich ins Ziel. 4:35 las ich kurz auf der Anzeigetafel, als meine Beine nachgaben und ich halb benommen in den Schnee sackte.

Eine Minute Rückstand auf den ersten, Basti Daschner. Ohne Sturz hätte das vermutlich sogar eine ganz pasable Zeit werden können. Als ich später im Hexenkessel die Nummer 47 für’s Finale in der Hand hielt, war ich auf alle Fälle wieder gelassen und ärgerte mich nicht weiter über den Patzer in der Quali.

Abends im Hotel studierte ich nocheinmal die Ergebnisliste und setzte mir ein Ziel für den Main Event am Mittagskogel. Eine Platzierung unter den Top 15 sollte es werden. Ich montierte noch einen Neuen Vorderbacken und drehte ihn wieder auf 15 zu, in der Hoffnung, dass er bei meinem Finalrun am Fuß bleiben würde. Am nächsten Morgen öffnete ich die Augen und blickte durch mein Fenster direkt auf das komplette Wild Face. Kurz ging ich die Schlüsselstellen im Kopf durch, dann überkam mich ein Gefühl der Übelkeit, als ich daran dachte wie es mir nach dem Run im Ziel gehen würde. Die Quali war schon hart, doch nun sollten es nochmal 800 Höhenmeter mehr sein. Beim Hike auf den Mittagskogel vergaß ich diese Gedanken wieder und konzentrierte mich auf’s wesentliche. Es war warm die Sonne schien und es hatte 15cm geschneit, die perfekten Bedingungen für den Contest.

Beim Ridersmeeting am Gipfel wurden noch die letzten Unklarheiten geklärt, dann ging es auch schon los. Ich klickte meinen Schalter um und war im Racemode! Philipp Müller und Tobi Heinle setzten vor mir die ersten Highlights, als sie mit richtig Dampf durch die Rinne schossen. Nach den ersten Metern sollte hier jedem klar gewesen sein, dass die zwei eine bomben Zeit hinlegen würden.

Kurz darauf stand ich auch schon im Start. Noch schnell die Bindung kontrolliert, die Schuhe zugeknallt und den Blick durch das Startgate auf den ersten Hang fixiert. „Nummer 47 am Start, 3, 3, 1, Go!“

Zwei, drei Schwünge bis zur Scharte, mit Speed über die Felsen ein paar Big Turns in der Hauptrinne und dann Straightline bis zum ersten Gate. So weit so gut, dachte ich, als es mich kräftig durch die Traverse schlug. Ich versuchte mich so gut es ging zu entspannen, denn die Oberschenkel machten sich schon jetzt bemerkbar wobei der harte Teil des Runs erst noch bevor stand. Der Weg bis zum letzten Gate ging auch noch überraschend gut, doch auf einen Schlag war ich komplett blau. Ich konnte mich kaum mehr auf den Ski halten, hatte mich vor einigen Stürzen schon knapp davongerettet, als es mich im letzten Steilstück zweimal überschlug. Zum Glück blieb diesmal die Bindung zu, ich verlor ca. 50 Höhenmeter und eigentlich kaum Zeit. Aus meiner zweiten Rolle kam ich direkt wieder auf Ski, kämpfte mich bis zum Talboden, schoss durch das Waldstück und kam am Ziehweg unten raus. Der letzte Kilometer bis zum Ziel war zwar eine richtige Qual, doch ich skatete weiter und hörte nicht auf meinen Körper! Ich schob die letzten Meter ins Ziel und reckte beide Fäuste gen Himmel und lies einen sauberen Schrei los!

Ich hatte es geschafft, mein erstes Freeride Rennen und dann gleich das Pitztal Wild Face! Als ich im Ziel auf die Ergebnistafel blickte und meine Zeit von 7:21 die siebtbeste war, liebäugelte ich mit einer Top 10 Platzierung, die es letztenendes auch werden sollte.

Mit dem zehnten Platz bin ich äußerst zufrieden und danke den Organisatoren und allen Beteiligten für dieses grandiose Event. Ein Contest, bei dem jeder vor der gleichen Herausforderung steht und der beste Skifahrer gewinnt. Die Atmosphäre war wirklich toll und ich werde nächstes Jahr sicher wieder dabei sein. Herzlichen Glückwunsch an Tobi Heinle. Du hast’s dir verdient!

Text: Tim Marcour