Die Auswahl in der Produktkategorie Lawinenairbags hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Viele Innovationen, in Bezug auf die Systeme, kamen hinzu. Und obendrein sind die Systeme wesentlich benutzerfreundlicher geworden. Wir hatten in der vergangenen Saison die Möglichkeit, mit dem Patrol E1 30 eine Neuheit der Firma Scott ausgiebig zu testen. 

Der Scott Patrol E1 30 muss den Vergleich zu den adäquaten Modellen anderer Hersteller nicht scheuen. Mit seinen 30 Litern Volumen bringt es der Rucksack inklusive Airbag System auf ein Gesamtgewicht von 2670 Gramm. Zum Vergleich: Der Avabag 30 von Ortovox wiegt 2270 Gramm (inkl. Kartusche) und der Ride Removable Airbag von Mammut in der 30 Liter-Variante bringt 2510 Gramm (inkl. Kartusche) auf die Waage. Die Konkurrenz legt die Messlatte also ein ganzes Stück nach oben. In Sachen Gewicht hat der Scott Patrol E1 30 somit das Nachsehen.

 

Interessant wird es, wenn man das Innenleben betrachtet und sich die Funktionsweise des Airbag Systems einmal genauer anschaut. Im Vergleich zu anderen elektronischen Systemen wie dem Jetforce von Pieps und Black Diamond oder dem Voltair von Arc’teryx kommt das Alpride E1-System ohne Lithium-Ionen-Akku aus. Das bringt Vorteile beim Reisen und der Kälteverträglichkeit mit sich. Den Selbsttest am Flughafen hat der E1 im Frühjahr 2018 erfolgreich bestanden. Wir nehmen an, dass das Sicherheitspersonal in München und Oslo an freeridende Fluggäste mit Airbag auf dem Rücken gewöhnt ist, aber mit einer Kontrolle ganz ohne Gegenwehr haben wir nicht gerechnet. Das System befand sich im Rucksack und trotzdem kam es zu keinerlei Komplikationen an der Sicherheitsschleuse. 

Der Clou beim E1: Das System arbeitet sowohl mechanisch als auch elektronisch. Die Auslösung wird, wie bei anderen Modellen mit Gaskartusche, ebenfalls durch einen Bowdenzug initiiert. Dadurch wird ein elektronischer Impuls ausgelöst, der die sogenannten Superkondensatoren „zündet“. Die Vorteile dieser Technologie liegen in der verringerten Anfälligkeit gegenüber Kälte und der Fähigkeit, in kurzer Zeit extrem viel Energie freizusetzen. Die Funktion folgt einem physikalischen Prinzip und keinem chemischen. Insgesamt kann weniger Energie erzeugt werden als mit Akkus. Deshalb haben die Ingenieure ein spezielles Gebläse verwendet. Anstatt wie bei einem Ofen maximal viel Luft rauszulassen, nutzt man das Prinzip einer Luftpumpe und baut dabei eine Menge Druck auf, um die Luft zu beschleunigen, welche den Airbag dann schnell aufbläst. Flow vs. Pressure. Ein Manko: Nach einem Auslösevorgang ist die gespeicherte Energie komplett verbraucht und das System muss wieder aufgeladen werden.

 

Aber natürlich gibt es auch hier ein „Aber“. Die Superkondensatoren halten eine wesentlich höhere Zahl an Schalt- bzw. Auslösezyklen aus als ein System mit normalen Akkus. Diese Haltbarkeit muss freilich über Jahre der Nutzung hinweg bestätigt werden. Wir dürfen also gespannt sein. Außerdem verspricht Scott eine extrem verkürzte Ladezeit. Das können wir bestätigen. Hat man also mal wieder verpennt, seine Ausrüstung vor dem Skitag zu checken, können die Superkondensatoren beispielsweise am Zigarettenanzünder im Auto oder mit der Powerbank per USB geladen werden. Äußerst praktikabel!

 

 

Und um die Gretchenfrage nach dem Eigengewicht nochmals aufzugreifen: Unter Berücksichtigung der Möglichkeit, dass das System nach dem Aufladevorgang ohne weitere Kosten immer wieder ausgelöst werden kann, finden wir den Gewichtsunterschied voll vertretbar. Die Auslösung kann also immer geübt werden. 

Tauglichkeit beim Freeriden und auf Skitour 

Mit den Daisy Chains an der Vorderseite, diversen Clips und einem sehr geräumigen Hauptfach lässt sich die gesamte Ausrüstung für einen Skitag im und am Rucksack verstauen. Das Helmnetz kann entweder vorne oder an der Unterseite des Patrol E1 befestigt werden. So hat man alle Möglichkeiten, auch wenn man mit viel Equipment am Berg unterwegs ist. Pickel und Stöcke können außen befestigt werden und stören nicht. 

Das Tragesystem besteht aus einem härteren Schaum, der sehr direkt am Rücken anliegt. Der Rucksack hat eine eher längliche und schmale Form. Er behindert den Träger also nicht in der Bewegung und auch Kletterpassagen sind kein Problem. „Ich bin ein bisschen kleiner und bei einem Backflip kann ich den Kopf nicht maximal in den Nacken zurücklegen. Das stört mich schon ein bisschen.“ (O-Ton Tester). Dieses Problem ist natürlich mit einem Augenzwinkern zu sehen und trifft nicht auf den durchschnittlichen Skifahrer zu. Wahrscheinlich um Gewicht zu sparen, wurde der Beckengurt sehr spartanisch entworfen. Am Ansatz noch leicht gepolstert, findet sich im weiteren Verlauf nur ein normales Gurtband. Hat man also schwere Gegenstände wie Seil, Gletscherausrüstung oder eine Kamera inklusive Zubehör dabei, geht das auf die Schultern.

 Fazit 

Der Markt für Lawinenairbags hat in den letzten Jahren sehr viele Neu- und Weiterentwicklungen gesehen. Die bewährten Systeme mit Kartusche und mechanischer Auslösung wurden weiter verbessert und vor allem immer leichter. Bei der Frage, ob man den Airbag mit auf die Skitour oder zum Freeriden nehmen soll, zählt das Argument „ist doch zu schwer“ schlicht und ergreifend nicht mehr. Die Rucksäcke werden ausgefeilter, praktikabler und bequemer bei den Trageeigenschaften. Was den Preis angeht, liegt der Patrol E1 mit 900 Euro über den ähnlichen Modellen von Ortovox oder Mammut, aber immer noch mehr als 100 Euro unter dem Jetforce System von Black Diamond und Pieps.  

Die Firmen Scott und Alpride haben bei der Entwicklung des E1 ihren Schweizer Innovationsgeist sprechen lassen. Der Ansatz mit einem pflegeleichten System und den verwendeten Superkondensatoren spricht für sich. Das bringt auf jeden Fall nochmals zusätzlichen Schwung in den Markt und wird für weitere Innovationen sorgen. 

Wir haben den E1 über eine ganze Saison getestet. Vom Freeridetag im Skigebiet, über die Skitour mit Hüttenübernachtung, bis zu alpinen Touren mit viel Ausrüstung war wirklich alles dabei. Das Schöne dabei: Das Hauptfach lässt sich seitlich komprimieren. Deshalb ist es egal, wie viel Material sich im Rucksack befindet, es fliegt nicht durch die Gegend, sondern ist gut verstaut. Die Flexibilität sehen wir als größten Pluspunkt beim Patrol E1. Man braucht tatsächlich nur einen Rucksack und kann diesen die ganze Saison hindurch nutzen. Einzige Stellschraube, die wir momentan noch sehen, wäre der fast nicht vorhandene Beckengurt. Sollten die Produktdesigner hier noch eine breitere und gepolsterte Variante entwickeln, würden wir das so entstandene Zusatzgewicht ohne weiteres in Kauf nehmen. 

 

Technische Daten: 

– Gewicht: 2670 Gramm 

– Volumen: 30 Liter (effektiv: 27,6 Liter) 

– Preis: 900€ 

– Ladegerät inklusive 

Details: 

– Herausnehmbares Airbag System 

– Keine Einschränkungen beim Transport 

– Wenig Aufwand für Wartung 

– Probeauslösungen Zuhause ohne Weiteres möglich 

– Ladezeit: 20min mit USB, 40min mit Standard 2AA Batterien

 

Noch Fragen? Hier geht’s zum Rucksack