Es kommt einem so vor, als gäbe es jedes Jahr immer noch mehr Lawinenopfer. In vielen Gebieten und Freeridehotspots spielt sich das gleiche Szenario ab: Kaum hat es mehr als 20cm geschneit und die Sonne kommt raus, kämpfen Freerider um jedes kleinste, unverspurte Powderfeld. Know-How über die Materie ist bei vielen nicht vorhanden und Rücksicht auf andere wird selten genommen. Als Skilehrer der gerne im Gelände unterwegs ist, verfolge ich das Geschehen mit Entsetzen und möchte selbst ein Vorbild für andere sein und ein verantwortungsbewusstes Verhalten an den Tag legen. Auf dem Weg zum staatlichen Skilehrer ist deshalb eine umfangreiche Ausbildung im Bereich Risikomanagement vorgeschrieben. In zwei Lehrgängen werden wir geschult im Gelände die richtigen Entscheidungen zu treffen um tolle Powdertage zu erleben und uns dabei nicht in Gefahr begeben. Vergangene Woche war es nun soweit und der große Lawinenlehrgang in Obertauern stand auf dem Programm.

Vor jedem Lehrgang auf dem Weg zur staatlichen Prüfung, fing ich schon eine Woche zuvor damit an, den Wetterbericht intensiv zu studieren. Sonnenschein und angenehme Temperaturen waren dabei die Wunschvorstellung. Vor der Woche in Obertauern sah das ein bisschen anders aus, zwar checkte ich auch jeden Tag die Vorhersage, beobachtete allerdings nur die Niederschlagsmenge und die hatte es dieses Jahr in sich: 10-15 cm Neuschnee jeden Tag, 7 Tage die Woche, für einen Lehrgang Namens „Risikomanagement“ wohl die perfekten Voraussetzungen.

Zu Beginn war klar, im Laufe der Woche würde sich die Lawinensituation zunehmend verschlechtern, was den Lerneffekt allerdings nur vorantreiben konnte. Die ersten Tage, als der Schneefall erst eingesetzt hatte, verbrachten wir mit intensivem LVS-Training. Der Umgang mit den Verschüttetensuchgeräten ist zwar eine wichtige Sache, die man im Schlaf beherrschen muss, allerdings sollte es gar nicht erst dazu kommen einen Kameraden ausgraben zu müssen. Die meiste Zeit bewegten wir uns also im Gelände, beurteilten dieses, legten sinnvolle Führungstaktiken fest und hatten dabei eine ganze Menge Spaß in feinstem Powder.

Im Laufe der Woche kam immer mehr Neuschnee dazu, was die Lage deutlich verschlechterte. Je heikler die Situation wurde, desto mehr war die richtige Wahl des Geländes und der Route von großer Bedeutung. Viele Klassiker wie zum Beispiel die „kleine Kesselspitze“ blieben uns daher verwehrt, durch die starken Neuschneefälle waren die Spuren vom Vortag aber schon wieder zugeschneit, sodass wir oft die gleichen Runs aufs Neue unverspurt befahren konnten.

An einem der schönsten Tage der Woche mussten wir dann einen Lawinenabgang beobachten. Zum Glück ist dem Variantenfahrer nichts passiert, doch uns zeigte der Vorfall wie schnell eine falsche Entscheidung fatale Folgen haben konnte.

Während des Lehrgangs wurden uns einige Methoden an die Hand gegeben, um uns sicher im Gelände zu bewegen. Mithilfe der Snowcard oder der Reduktionsmethode kann man das Risiko immer in einem vertretbaren Rahmen halten und sich an einem Powdertag sicher und entspannt im Gelände bewegen. Die heikle Lage schreckte mich also keineswegs ab, im Gegenteil, von Tag zu Tag wuchs mein Selbstvertrauen in der Beurteilung der einzelnen Hänge.

Selbstverständlich kam auch der Spaß bei diesen Verhältnissen nicht zu kurz, denn wir erlebten die besten Powdertage dieser Saison.

Text und Fotos: Tim Marcour